"Geschichten in der Einwanderungsgesellschaft - Erinnerungen in der neuen Heimat". Das Gemeinschaftsprojekt des Multikulturellen Zentrum Dessau und der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt macht Schüler zu Biografieforschern. In außerschulischen Workshops treffen sie auf Menschen mit Migrationshintergrund, die teilweise schon zu DDR-Zeiten in Sachsen-Anhalt gelebt haben. Die Schüler interviewen die Zeitzeugen zu ihrem persönlichen Erleben in der Vorwendezeit, nach dem Mauerfall und in der Jetztzeit.
So auch Marco, Paul und Theresa von der Dessauer Friedensschule: Auf dem Sachsen-Anhalt-Tag in Dessau verabredeten sie sich mit dem Magdeburger Nguyen Tien Duc und dem Köthener Dr. Moussa Dansokho im Arabischen Zelt auf der Themenstraße "Weltoffenes Sachsen-Anhalt". Nguyen Tien Duc kam für eine Ausbildung aus Vietnam in die damalige DDR, Moussa Dansokho aus Studiengründen aus dem Senegal. Sowohl die Schüler als auch die Gäste der Runde bekamen interessante und lebendige Einblicke in die Biografie der beiden und auf ein Stück Zeitgeschichte, dass aus der sogenannten "Minderheitenperspektive" bisher noch relativ unerforscht ist.
Projektansatz: Wer an Integration von Seiten der Mehrheits- und der Zuwanderungsgesellschaft denkt, kommt schwer am Begriff Willkommenskultur vorbei. Um diese zu etablieren, ist neben der Entwicklung gegenseitiger Akzeptanz und Wertschätzung auch ein Perspektivenwechsel notwendig, der die unterschiedliche Einwanderungstradition in Ost- und Westdeutschland in ihrer Gesamtheit thematisiert. Denn eine funktionierende Willkommenskultur kommt nicht ohne eine gemeinsame Erinnerungskultur aus. Mit der Absicht, Denkanstöße über bestehende Geschichtsbilder der Mehrheitsgesellschaft und den Repräsentationsformen der Migrantengruppen zu geben, wird der Themenkomplex Migration und Erinnerungskultur im Projekt für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit aufgearbeitet.
Projektinhalt: Das Projekt zielt zum Einen auf die Erschließung der Erfahrungen und Erlebnisse von MigrantInnen zur Vor- und Nachwendezeit, zum Anderen auf die individuellen Erfahrungen und Erlebnisse im alltäglichen Leben im Wandel der Zeit seit der Ankunft in Deutschland. Dieser Herangehensweise liegt die Idee zu Grunde, dass eine gemeinsam geteilte Erinnerungskultur Ursprung einer kollektiven Identität und Grundstein einer funktionierenden Willkommenskultur darstellen. Die Betonung der Vielfalt dieser Geschichten soll dabei helfen, dem Rollen- und Klischeedenken bei Teilen der Mehrheitsgesellschaft entgegenzuwirken und die Bedeutung gesellschaftlichen Zusammenhalts hervorheben und stärken. Statt Abgrenzung brauchen wir eine gemeinsame Geschichte, die auch emotionalen Zusammenhalt und Identität stiftet. Den Geschichten der Zugewanderten muss Gehör verschafft werden, um sie an einer gemeinsamen Geschichtsschreibung teilhaben zu lassen.
Zielgruppe: Das Projekt richtet sich an MigrantInnen der ersten Generation in Sachsen-Anhalt sowie an Schüler- und Jugendgruppen. Die gemeinsame Erarbeitung von Wissen zu historischem kollektiven Unrecht und der alltagsweltlichen Wahrnehmung der MigrantInnen erfolgt durch Interviews. Die in einem gesonderten Workshop auf ihre Zeitzeugen Rolle vorbereiteten Teilnehmer sollen in Tandems von Schülergruppen befragt werden. Diese sollen an vorhergehenden Schulprojekttagen in die Interviewführung und die historisch-politische Bildung eingeführt werden. Somit bietet sich ihnen ein direkter und praxisnaher Zugang zur Geschichte aus Perspektive der MigrantInnen. Eine nachhaltige Integrationsleistung soll dabei durch die enge Zusammenarbeit von Projektleitung, Zeitzeugen, Referenten und Schülern erbracht werden.
Projektziele: Ziel des Projektes ist erstens, die praxisbezogene Vermittlung von Wissen zu Herrschaftsformen wie Demokratie und Diktatur, Vielfalt in einer pluralistischen Gesellschaft, der Vielfalt verschiedener Migrationsbiographien, historisch kollektiver Gewalt und deren unterschiedlichen Ausprägungen sowie eines ganzheitlichen Bildes der Migration im geteilten bzw. wiedervereinte Deutschland. Damit geht zweitens die Einrichtung eines Zeitzeugenpools mit Kontaktdaten und – adressen für die nachhaltige Nutzung der Projektinhalte in der schulischen und außerschulischen Bildung einher. Interessierte MigrantInnen erhalten in einer einmaligen Schulung eine Vorbereitung auf ihre Zeitzeugenrolle. Beim anschließenden Einsatz als Gesprächstandem an Schulprojekttagen, werden sie durch die frisch ausgebildeten Biografieforscher befragt. So haben sie die Möglichkeit mit ihren Erzählungen und Erfahrungen einen Teil zum Perspektivwechsel und einer nachhaltigen Integration beizutragen. Neben der Wissensvermittlung und dem Aufbau des Zeitzeugenpools ist auch eine nachhaltig nutzbare Dokumentation geplant. Diese soll über den Projektzeitraum hinaus für Schüler, Multiplikatoren und Akteure der Integrationsarbeit als Referenz dienen.
Zum kostenlosen Download stehen sowohl der offizielle Programmflyer als auch eine Pressemappe zur Verfügung, in der Sie weitere Informationen zum Projekt, dessen Zielen und geplante Realisierung/Umsetzung erfahren können.
Ein Projekt des Multikulturellen Zentrum Dessau e.V. in Kooperation mit der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V., dem Landesnetzwerk der Migrantenselbstorganisationen in Sachsen-Anhalt, dem Migrantenrat Dessau-Roßlau und der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt.